Einziehung

a) Grundlagen

Unter der Einziehung von Geschäftsanteilen versteht man die „Vernichtung“ des Anteils durch Beschluss der Gesellschafterversammlung. Rechtsgrundlage für die Einziehung von Geschäftsanteilen ist § 34 GmbHG. Danach ist die Einziehung nur zulässig, wenn die Satzung dies ausdrücklich zulässt.

Von der Einziehung zu unterscheiden sind die Ausschließung und die Zwangsabtretung.[1] Bei der Zwangsabtretung wird der Geschäftsanteil im Gegensatz zur Einziehung nicht vernichtet, sondern auf die Gesellschaft oder auf einen Dritten übertragen. Auch hierfür ist eine Satzungsgrundlage erforderlich.

Unklar ist dagegen die Rechtslage bei der „Ausschließung“. Diese kann grundsätzlich nur durch Ausschließungsklage gegen den betroffenen Gesellschafter betrieben werden. Allerdings kann auch die Satzung eine Ausschließung vorsehen. Dann kann sie durch Beschluss erfolgen. Dann muss allerdings geklärt werden, was mit dem Anteil des ausgeschlossenen Gesellschafters geschehen soll. Letztlich muss dann wieder eine Einziehung oder Zwangsabtretung erfolgen.

b) Voraussetzungen

Voraussetzungen der Einziehung:[2]

Volleinzahlung des Anteils

Wirksamer Einziehungsbeschluss

Möglichkeit der Zahlung des Einziehungsentgeltes

Volleinzahlung des Anteils

Voraussetzung für eine Einziehung ist zunächst, dass das Kapital auf den einzuziehenden Geschäftsanteil voll eingezahlt ist und keine verbotenen Rückzahlungen im Sinne des § 30 Abs. 1 GmbHG erfolgt sind.[3]

Sind die Anteile nicht voll eingezahlt besteht die Möglichkeit, dass diese Einzahlung vor Fassung des Einziehungsbeschlusses nachgeholt wird. Ferner könnte, soweit der Gesellschaftsvertrag das vorsieht, eine Zwangsabtretung in Betracht kommen.

Wirksamer Einziehungsbeschluss

Ein wirksamer Einziehungsbeschluss setzt zunächst voraus, dass dieser formal den Bestimmungen von Satzung und Gesetz entspricht, z.B. bei der Einhaltung der Ladungsfristen etc.

Ferner ein in der Satzung vorgesehener Einziehungsgrund vorliegen. In vielen Satzungen wird der „wichtige“ Grund als Voraussetzung für die Einziehung genannt. Der Ausschluss eines Gesellschafters aus einer GmbH ist nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Die Anforderungen an einen "wichtigen Grund" sind sehr hoch. Nur in seltenen Fällen sind Gesellschafter aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht verpflichtet, dem Ausschluss eines Mitgesellschafters zuzustimmen.[4]

Eine Einziehung ist bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich. Ein solcher Grund kann auch in einem Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern bestehen, welches der von der Einziehung betroffene Gesellschafter mitverursacht hat, ohne dass es dabei auf das Verschulden ankommt.[5] Ein solcher Grund kann auch in einem tiefgreifenden Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern liegen, wenn kein milderes Mittel zur Weiterführung der Gesellschaft zur Verfügung steht. Weitere Voraussetzung ist allerdings, dass das Zerwürfnis weit überwiegend von dem auszuschließenden Gesellschafter verursacht wurde und in der Person der anderen Gesellschafter nicht ebenfalls ein die Ausschließung rechtfertigender Grund vorliegt.[6]

Umstritten ist die Frage, ob der Einziehungsbeschluss auch gleich eine „Verwertung“ des eingezogenen Anteils beinhalten muss:

Folge der Einziehung ist die Vernichtung des Anteils. Der Beschluss über die Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen muss nicht notwendig eine Verwertung des eingezogenen Anteils vorsehen. Es ist daher möglich, dass nach Einziehung des Anteils das Stammkapital und die Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile auseinanderfallen. In Höhe des Differenzbetrages besteht dann sog. anteilsloses Stammkapital.[7]

Der Anteil sollte – grundsätzlich bereits im Einziehungsbeschluss – „verwertet“ werden. Beim Einziehungsbeschluss ist grundsätzlich eine Aufstockung der übrigen Anteile vorzusehen. Wird eine solche Aufstockung nicht mit beschlossen, kann diese ggf. auch durch Auslegung ermittelt werden (z.B. anhand der Gesellschafterliste). Allein das Auseinanderfallen von Stammkapital und Anteilssumme führt aber nicht zur Unwirksamkeit des Beschlusses.[8]

Ob der Aufstockungsbeschluss der notariellen Beurkundung bedarf ist umstritten.[9]

Möglichkeit der Zahlung des Einziehungsentgeltes

Früher nahm die Rechtsprechung an, dass Voraussetzung der Wirksamkeit der Einziehung auch die Zahlung des Einziehungsentgeltes sei. Dies ist nicht mehr der Fall. Ein Einziehungsbeschluss wird grundsätzlich nach einer aktuellen Entscheidung des BGH grundsätzlich mit der Mitteilung des Beschlusses und nicht erst mit der Zahlung der Abfindung wirksam.[10] Das gilt jedoch nicht, wenn der Einziehungsbeschluss (von Anfang an) nichtig ist, z.B. weil die Einziehungsvergütung wegen eines Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 GmbHG nicht gezahlt werden kann. Bei einem Einziehungsbeschluss, bei dem das Entgelt wegen Verstoßes gegen § 30 GmbHG nicht gezahlt werden kann, liegt eine Gesamtnichtigkeit des Beschlusses vor. Damit ist auch die Ausschließung des betroffenen Gesellschafters nichtig.[11]

Die Gesellschafter einer GmbH haften im Falle der Einziehung nicht grundsätzlich persönlich für den Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters. Einer solchen persönlichen Haftung steht es allerdings nicht entgegen, dass die Einziehung mit Zustimmung des Gesellschafters erfolgt ist. Die Haftung entsteht allerdings erst dann, wenn die verbleibenden Gesellschafter die Gesellschaft treuwidrig fortsetzen und keine angemessenen Maßnahmen zur Befriedigung des Abfindungsanspruches ergreifen.[12] Das kann etwa der Fall sein, wenn die verbleibenden Gesellschafter Maßnahmen treffen, um die Realisierung des Abfindungsanspruches zu vereiteln. Ein solches Vereiteln kann schon darin liegend, dass die Gesellschafter das Unternehmen trotz bestehender Unterbilanz fortführen und die Unterbilanz dabei vertiefen.[13]

c) Einziehungsentgelt

Damit stellt sich die Frage nach dem Einziehungsentgelt. Grundsätzlich hat ein Gesellschafter bei seinem Ausscheiden einen Anspruch auf eine Abfindung in Höhe des Verkehrswertes seiner Beteiligung (§ 738 Abs. 2 BGB analog). Die Höhe der Abfindung kann in der Satzung geregelt und dadurch beschränkt werden. Auch eine abweichende Beschlussfassung im Einzelfall ist möglich.[14]

In vielen Gesellschaftsverträgen wird auf das „Stuttgarter Verfahren“ abgestellt. Diese Regelung durch die Erbschaftsteuerreform zum 01.01.2009 problematisch geworden.[15]

Problem 1: Auslegung der Klausel, insbesondere bei „dynamischer“ Verweisung

Zunächst ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Rechenmethode des „Stuttgarter Verfahrens“ weiter gelten soll. Das ist bei einer ausdrücklichen Bezugnahme auf das Verfahren wohl anzunehmen. Bei einer Bezugnahme auf die „steuerrechtlichen Vorschriften“ ist weiterhin durch Auslegung zu ermitteln, ob die Bestimmungen zum Zeitpunkt der Beurkundung oder die aktuellen Bestimmungen gemeint sind. Die Auslegung einer Abfindungsbestimmung darf nicht zur Ungleichbehandlung der Gesellschafter führen.[16]

Problem 2: Bei Abfindung unter dem Verkehrswert kann es zu schenkungsteuerlichen Bereicherungen der anderen Gesellschafter kommen.[17]

Zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern gibt es nach Auffassung des BFH keine freigebigen Zuwendungen. Hier können Sachverhalte lediglich unter dem Gesichtspunkt der (offenen und vedeckten) Gewinnausschüttungen gewürdigt werden.[18]

Eine unangemessen niedrige Abfindung an einen minderjährigen nach dem Buchwert kann nicht von durch Vereinbarung und spätere Genehmigung des Vormundschaftsgerichts erreicht werden.[19]

d) Steuerrechtliche Aspekte

Für die Gesellschaft ist die Einziehung grundsätzlich erfolgsneutral. Kommt es durch die Einziehung zu einer Verschiebung der Anteilsverhältnisse ist zu prüfen, ob nach § 8c KStG ein Untergang von Verlustvorträgen möglich ist. Diese Frage ist derzeit noch nicht entschieden.

Auf der Ebene des Gesellschafters dürften im Regelfall Einkünfte nach § 17 EStG vorliegen.[20] Bei der Einziehung eines Geschäftsanteils nach § 34 GmbHG sind Verluste steuerrechtlich in dem Veranlagungszeitraum geltend zu machen, in dem die Einziehung zivilrechtlich wirksam wird. Das ist im Regelfall mit Zugang der Einziehungserklärung bei dem betroffenen Gesellschafter der Fall. Nachträglich entstehende Aufwendungen sind nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO über eine Änderung des Steuerbescheides zu berücksichtigen.[21]

Ein Sonderproblem stellt die Schenkungsteuer dar: Wenn Anteile unterhalb des steuerlichen Wertes vergütet werden, so ist darin eine schenkungsteuerpflichtige Bereicherung der übrigen Gesellschafter zu sehen.

Veräußert ein Gesellschafter einer GmbH seinen Geschäftsanteil erheblich unter dem Verkehrswert an die Gesellschaft, an der ansonsten lediglich noch sein Ehepartner beteiligt ist, so liegt darin eine verdeckte Einlage in die Gesellschaft. Das Vorliegen einer verdeckten Einlage schließt allerdings eine Schenkung sowohl an die GmbH als auch an den Mitgesellschafter aus. Der Vorgang unterliegt daher nicht der Schenkungsteuer.[22]

Eine weitere Frage ist die Behandlung der Rechtsverfolgungskosten der Beteiligten: Hier kann die GmbH Betriebsausgaben geltend machen, soweit sie sich in einem Verfahren vertreten lässt. Die Kosten der Gesellschafter für ihre Rechtsdurchsetzung sind grundsätzlich von diesen selbst zu tragen.[23]

e) Rechtsschutz gegen die Einziehung

Gegen die Einziehung kann sich der betroffene Gesellschafter grundsätzlich mit der Anfechtungsklage gegen den Einziehungsbeschluss wehren.[24]

Ergänzend kann der Gesellschafter im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Gesellschaft vorgehen und so versuchen, die Einreichung der geänderten Gesellschafterliste zu verhindern.[25] Hier ist umstritten, worauf der einstweilige Rechtsschutz zu richten ist. Die Rechtsprechung nimmt an, dass nur die Zuordnung eines Widerspruches zu der neu eingereichten Gesellschafterliste in Betracht kommt.[26] Dadurch wird der Rechtsschutz des betroffenen Gesellschafters erheblich verkürzt.[27]



[1] Vgl. Einhaus/Selter GmbHR 2015, 679.

[2] Vgl. auch Stehmann GmbHR 2013, 574.

[3] Zu der Diskussion über die Möglichkeit einer Einziehung nicht voll eingezahlter Anteile vgl. Brete/Trümper GmbHR 2015, 1262; zu Begriff der Auszahlung Porzelt GmbHR 2016, 627.

[4] OLG Stuttgart, Beschluss vom 10.02.2014 - 14 U 40/13.

[5] OLG Stuttgart, Urteil vom 19.12.2012 – 14 U 10/12,

[6] BGH, Urteil vom 24.09.2013 – II ZR 216/11.

[7] BGH, Urteil vom 01.12.2014 - II ZR 322/13.

[8] Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 01.12.2011 – 8 U 315/10 - 83; a.A. LG Essen, Urteil vom 09.06.2010 – 42 O 100/09; LG Neubrandenburg, Urteil vom 31.03.2011 – 10 O 62/09.

[9]Braun GmbHR 2010, 82.

[10] BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 – II ZR 109/11; Stumpf/Müller GWR 2012, 143.

[11] BGH, Teilurteil vom 05. April 2011 – II ZR 263/08.

[12] BGH, Urteil vom 10.05.2016 - II ZR 342/14; vgl. dazu Schaefer DStR 2016, 2116.

[13] Schirrmacher GmbHR 2016, 1077.

[14] vgl. dazu Transfeld GmbHR 2011, 298.

[15] Krumm NJW 2010, 187.

[16] BGH, Urteil vom 27.09.2011 – II ZR 279/09.

[17] Ivens GmbHR 2011, 465.

[18] BFH, Urteil vom 30.01.2013 – II R 6/12.

[19] Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 13.03.2013 – 4 UF 7/12.

[20] Zur steuerrechtlichen Behandlung grundsätzlich FG Rheinland-Pfalz. Urteil vom 04.11.2015 – 1 K 1214/13; Wollweber/Ruske GmbHR 2016, 677.

[21] FG München, Urteil vom 24.09.2015 - 13 K 554/13.

[22] BFH, Urteil vom 21.01.2016 - II R 40/14.

[23] Vgl. dazu Wollweber/Ruske GmbHR 2015, 785.

[24] Zu Einzelheiten vgl. Kleindiek GmbHR 2017, 815.

[25] Wagner GmbHR 2016, 463.

[26] KG, Urteil vom 10.12.2015 – 23 U 99/15.

[27] Daher kritisch Fluck GmbHR 2017, 67.

 

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